Weihnachten
So schenken Könige
So schenken Könige

Die Geschenke dreier Könige sehen wir auf der mittleren Tafel eines der schönsten Altäre der Lorenzkirche: Über die fünf Tafeln des Dreikönigsaltars von Hans Pleydenwurff aus dem Jahr 1460, könnte man problemlos mehrere Bücher schreiben.

Etwa darüber, wie der Maler nach einem Besuch in den Niederlanden die Nürnberger Malerei vor Dürer wieder auf Vordermann brachte, zum Beispiel. Oder wie die mindestens siebzehn verschiedenen Pflanzen die Weihnachtsgeschichte interpretieren.   Oder, ob er vielleicht gar nicht von Pleydenwurff, sondern vom Meister des Löffelholz-Altars stammt? Man könnte die Landschaften interpretieren, die holländische Fantasiestadt oder die fränkische Großindustrie, dargestellt durch ein Hammerwerk mit fünf Mühlrädern. Wir könnten die unzähligen Figuren interpretieren, die unterschiedlichsten Uniformen und Trachten, oder die grausliche Kindermordszene von Herodes Schergen in die antisemitische Stimmung ihrer Zeit einordnen.

Aber zum Glück ist uns durch diese Ausgabe der Citykirche das Thema vorgegeben. Es geht ums Beschenkt-Sein. Und dass die Welt durch die Geburt Jesu wirklich beschenkt ist, das ist auf diesem Altar an vielen Stellen erkennbar.

 

Da ist zum Beispiel der Hirte; fröhlich springen weiße Schafe und eine Ziege um ihn herum. Von den bewaffneten Soldaten und Herrschaften, die an seiner Wiese vorbeiziehen, lässt er sich offensichtlich nicht beeindrucken. Und wenn man dann genauer auf die Soldaten schaut, blickt man in ebenso entspannte Gesichter. An den Hüten und Turbanen ist zu erkennen: die Soldaten kommen aus allen damals bekannten Ecken der Erde und sind hier angeregt und freundlich miteinander im Gespräch. Will der Künstler zeigen, dass die Geburt Jesu ein Geschenk für die ganze Welt ist? Dass hier in der Nähe der Krippe alle Menschen jedes Standes und jeder Nation Frieden und Grund zur Freude haben?

Das „Internationale“ legt die Entwicklung der Dreikönigslegende ohnehin nahe. Im Evangelium ist ja nur von Weisen, ohne Anzahl, die Rede. Die drei Geschenke, Gold, Weihrauch und Myrrhe (Mt 2,11) wurden schon im 3. Jahrhundert drei Königen zugewiesen. Im 6. Jahrhundert bekamen sie ihre Namen, Kaspar, Melchior und Balthasar, und noch viel später wurde ihnen dann je ein Lebensalter zugewiesen. Ob sie auf unserem Bild auch schon für je einen bekannten Erdteil stehen, ist ungewiss. Aber dass sie aus allen Ecken der Welt kommen, ist eindeutig. Da sind die drei Standarten und der afrikanische Diener des jüngsten Königs. Später war es dann immer so:  Kaspar symbolisiert Asien, Melchior Europa und Balthasar Afrika. Und damit sagen sie: Jesus ist ein Geschenk für die ganze bekannte Welt.

Was der Maler aber hier zeigen wollte, ist wohl, wie unterschiedlich die drei Lebensalter auf  Jesus reagieren. Der alte König ist eindeutig voller Glück und tiefer Anbetung. Seine Krone hat er abgelegt, er küsst die Hand des Babys. Er verkörpert den unangefochtenen Glauben an das Kind. 

Der König, der das mittlere Alter repräsentiert, reagiert unklar: Will er gerade die Krone ablegen, oder fasst er sich ungläubig an die Stirn … ob dieses Geschenk wirklich Gottes Rettung ist?

Eindeutig aber ist der dritte König gemalt. Er vertritt die Jugend — und von der hielt der Maler ganz offensichtlich nicht viel. Er trägt die roten Schnabelschuhe, die einige Jahre vor Fertigstellung des Bildes vom Bamberger Bischof in Nürnberg verboten wurden. Ein modischer Geck, der desinteressiert in eine andere Richtung als die des Kindes blickt. Der Maler hat wohl keine Hochachtung vor dem Glauben der damaligen höfischen Jugend gehabt. Sein Diener aber ist sehr liebevoll und detailliert hervorstechend gemalt, er vertritt im Bild das kommende Afrika auf sehr freundliche Weise.

Jetzt gibt es hier also wertvolle Geschenke für Jesus. Maria strahlt, ruhig und selbstbewusst. Sie weiß offensichtlich um das Geheimnis ihres Kindes. Josef, wie immer in dieser Zeit alt und unattraktiv dargestellt (damit niemand auf die Idee käme, Maria und er hätten etwas miteinander gehabt), erscheint zusätzlich auch noch trottelig. Er verschüttet Wasser, während die Weisen ihre Gaben übergeben.

Das Geschenk Gottes an die Welt wird hier  selbst reich beschenkt und zeigt doch kein Interesse an den prunkvollen Gefäßen. Er, also Jesus, schaut den ihn anbetenden König liebevoll an. Über ihm, auf dem Tisch, steht ein Pfännchen mit Brei bereit, so, als wolle der Maler sagen, dass der das sinnvollere Geschenk für einen Säugling gewesen wäre.

Die Mitteltafel des Dreikönigsaltars ist ein Wimmelbild voller Details. Gott kommt mitten in die normale Welt. In die Welt gesprungener Steinfliesen, reparaturbedürftiger Stalldächer und Pferde, die sich aneinander reiben. Auch Soldaten in goldener Rüstung stehen im Stau und die Pflanzen am unteren Bildrand erklären dem mittelalterlichen Menschen, worum es bei Gottes Geschenk an die Welt geht. Der Alant steht für Erlösung, Getreide weist auf das Abendmahl, der Hahnenfuß sagt: Christus hat die Kraft, die Welt zu heilen. 

 

560 Jahre nach der Entstehung dieses Weihnachtsbildes brauchen wir solche Erklärungen, um die eine oder andere Aussage des Bildes zu verstehen. Aber selbst ohne diese Erklärungen wirkt es auf uns. Aus jeder Ecke atmet es Frieden. Alle Menschen strahlen, sind freudig gespannt. Mitten im Alltag passiert Besonderes. Die Geburt eines Kindes zieht die Weisen aus der Ferne an. Geschenke wechseln den Besitzer und alle spüren, dass auch sie beschenkt sind. Ein Bild, wie speziell für diese Aussage der Citykirche gemalt.

Text: Jan Martin Depner, Foto: Thomas Bachmann