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Weihnachten singt und klingt

Zu keiner anderen Zeit im Jahr wird so viel gesungen, wie im Advent und an Weihnachten. Selbst die Menschen, die das ganze Jahr über sagen „Ich kann nicht singen“, schmettern voller Rührung die vertrauten Lieder. Oder sie summen und brummen zumindest. Hier stellt die Citykirche drei Lieder vor. Singen Sie sie gern mit. Daheim auf dem Sofa. Oder wo Sie gerade sind. Es hört Sie ja keiner. Und wenn doch, singen Der- oder Diejenige vielleicht mit.

O komm, o komm, du Morgenstern

O komm, o komm, du Morgenstern, lass uns dich schauen, unsern Herrn. Alle warten. Seit Ewigkeiten schon. Aber jeder wartet auf etwas anderes. Rüdiger wartet auf eine Beförderung. Die Schülerinnen und Schüler der 7c warten auf eine bessere Welt. Grete auf die große Liebe. Julian auf den Ausstieg aus der Kohle. Und Irina und Olga warten auf das Ende des Krieges in der Ukraine, damit sie endlich ihre Familie dort wieder sicher besuchen können. Und worauf warten Sie? Welche Hoffnung, welche Sehnsucht wohnt in einem Winkel Ihres Herzens? Vertreib das Dunkel unsrer Nacht durch deines klaren Lichtes Pracht. Über Nürnberg wird es nie richtig dunkel. Wer aber im zu Ende gehenden Jahr eine Nacht durchwacht hat – und das haben viele getan – zu Hause an einem Krankenbett oder auf der Intensivstation zwischen den Beatmungsgeräten hin und her wechselnd. Wer vor lauter Sorgen bis zum Morgengrauen nicht schlafen kann, die und der weiß, was Sehnsucht ist: O komm, o komm, du Morgenstern. Vertreib das Dunkel unsrer Nacht. Wenn der Morgenstern endlich am Himmel erscheint, dann ist der Zenit der Nacht überschritten. Dann ist sicher: Der Morgen kommt. Die Nacht des Weinens geht vorüber. Licht wird sich Bahn brechen und einen neuen Tag bescheinen. Einen neuen Tag und ein neues Glück – vielleicht, hoffentlich. Menschen hoffen seit Jahrhunderten auf Rettung und Erlösung. Eigentlich verrückt. In jedem Advent wieder neu. Warten auf Jesus, den Morgenstern, auf Jesus, das Gesicht, mit dem Gott uns ansieht. Voll Verständnis, voll Liebe: Was bekümmert Dich? Was fehlt Dir? Worauf wartest Du? O komm, o komm, du Morgenstern! Vertreib das Dunkel unsrer Nacht! Das ist das Wunder am Advent und sein Geheimnis zugleich: Wir warten auf einen, der kommen wird. Und wir feiern zugleich, dass er schon da ist. Wir erwarten den, der schon gekommen ist. Wunder und Geheimnis.

Text: Annette Lichtenfeld
Foto: Evangelisches Gesangbuch

Brich an, du schönes Morgenlicht

Tau funkelt auf einer Alpenwiese in den ersten Sonnenstrahlen. Das ist jetzt keine klassische Weihnachtsstimmung. Aber mit ein paar Hirten und Engeln zusammen passt das zum Weihnachtsmorgen.

Außer bei den eingefleischten Fans des Weihnachtsoratoriums, ist das Lied Nummer 33 „Brich an, du schönes Morgenlicht“ vielleicht gar nicht so bekannt. Und wir singen an Weihnachten natürlich lieber unsere „Schlager“. Trotzdem möchte ich Ihnen dieses Lied heute gern ans Herz legen. Nicht nur wegen der beschwingten Melodie, sondern hautsächlich wegen der schönen Worte. Hier ist Weihnachtstheologie genial zusammengedichtet. Da wird erst einmal der Vorhang hochgezogen und die neue Zeit gepriesen: Hell. Es tagt. Morgenlicht. Und die Hirten werden angesprochen, also quasi: Nicht erschrecken, Leute. Wundert euch mal nicht über das, was euch die Engel sagen. Und dann kommt diese unglaubliche Botschaft, dass letztlich die Welt auf den Kopf gestellt wurde durch das, was in dieser gerade vergangenen Nacht geschehen ist. Ein schwaches Kind soll der Grund dafür sein, dass jetzt immer Morgen ist, heller Tag. Jetzt ist immer Freude. Dieses Kind wird es bezwingen – das, was damals Satan genannt wurde (und was bis heute als Nachrichten über die Bildschirme tobt), all das Nicht-Göttliche, Zerstörerische – und wird „letztlich Frieden bringen.“ Was für eine geniale erste Strophe voller Hoffnung und Freude. Die mittlere und die letzte Strophe sind dann die Antwort auf diese gute Botschaft. Ein bisschen wird auch wiederholt und reflektiert, im Sinne von: Wir waren verloren, dann bist du uns geboren, du bist mein Bruder geworden, der die Welt bezwungen hat … da kann ich gar nicht anders als voller Freude und Lob und Dankbarkeit zu sein. Die Worte des 17. Jahrhunderts muss man hier in seinem Inneren vielleicht ein wenig in die Frömmigkeit des 21. Jahrhunderts übersetzen, um das aus ganzem Herzen schmettern zu können. Aber schon allein die erste Strophe hat das Potenzial, ein „Schlager“ zwischen Kerzen und Plätzchen zu werden: Denn durch alle Jahrhunderte ist es einfach unglaublich, was den Hirten da von den Engeln verkündet wurde. Und wie in allen Jahrhunderten brauchen wir den Trost und die Hoffnung dieser Botschaft dringend. Ich sage sogar, heute dringender denn je: „Brich an, du schönes Morgenlicht, und lass den Himmel tagen.“ Was für ein Kontrast zu den dunklen Bildern des Krieges und des Terrors, der Tyrannei und Übergriffigkeit der Mächtigen. Das wird keinen Bestand haben – so besagt es das Lied. In diesem Sinne wünsche ich morgendlich helle, fröhliche Weihnachten.

Text: Jan Martin Depner
Foto: Evangelisches Gesangbuch

Die Nacht ist vorgedrungen

Die Nacht ist nie so dunkel wie vor dem Anbruch des Tages.

Im übertragenen Sinne habe ich es schon oft so erlebt, dass es auch nach den allerdunkelsten Stunden einen Lichtschimmer im Leben gibt. Dass nach Nächten, in denen ich mich in der Dunkelheit sorgenvoll im Bett hin- und hergewälzt habe, die Sorgen als Nachtgespinste verblasst waren. Dass irgendwie alles doch, wenn auch nicht perfekt, doch recht gut wurde. Der Prophet Jesaja schreibt: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Land, scheint es hell.“ (Jesaja 9,1) Die Advents- und Weihnachtszeit mit ihren großen und kleinen Lichtern nach dem kalten und düsteren November ist ein Symbol dafür. Vom indischen Dichter Tagore stammt das Zitat: „Glaube ist der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“ Der Glaube hilft uns, die großen und kleinen Dunkelheiten unseres Lebens besser zu durchstehen. Jochen Klepper stand 1937, als er das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen“ schrieb, mittendrin in der Nacht, und es wurde immer dunkler um ihn. 1931 hat er Johanna Stein, eine Jüdin geheiratet. Als dann 1933 Hitler Reichskanzler wurde, wandten sich viele von Klepper und seiner Familie ab. „Ich sehe nur einen Abgrund vor mir“, schreibt er in sein Tagebuch, „aber darüber Gottes Hände“. Immer wieder kann er sich trösten: „Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein!“ Ich bin mir sicher, dass das nicht einfach leer dahergeredet ist. Bestimmt haben er und seine Familie manche Nacht geweint. Bei Klepper ist dieser Morgenstern, der ihm immer wieder Kraft, Mut und Hoffnung gegeben hat, das Kind in der Krippe. Gott kommt ganz nah, das gibt ihm Hoffnung in alle dunklen Stunden. Ich weiß nicht, ob Sie in diesem Jahr manchmal zur Nacht geweint haben. Anlass gäbe es in dieser Zeit genug: privat und weltpolitisch, die allgemeine Angst um den Zustand der Welt und die Zukunft. „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld …“ Irgendwann wurde es allerdings um Jochen Klepper und seine Familie so dunkel, dass sie keinen anderen Ausweg wußten, als den Suizid. Die letzten Worte in seinem Tagebuch sind „… wir sehen uns vor dem segnenden Christus, so treten wir aus dem Leben.“ Das geht mir auch heute, rund 80 Jahre später, noch nahe. Solche Schick-
sale sind für mich Impuls und Stärkung, gegen alle Mächte und Strömungen anzugehen, die Menschen ausgrenzen und niedermachen wollen. Aber ich kann auch die Verzweiflung von Klepper und seiner Familie nachempfinden. Manchmal fällt es mir selbst schwer, noch Licht zu sehen. „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Land, scheint es hell.“ Ich hoffe, Sie konnten das auch erfahren in diesem Jahr, wenn Sie zur Nacht geweint haben: dass es immer wieder Momente des reinen Glücks und der reinen Freude gibt, die das Leben absolut lebenswert machen. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.“ (aus Strophe 5) An Weihnachten denken wir daran, dass Gott nicht verborgen geblieben ist. diesen gesamten letzten Absatz so drucken: An Weihnachten denken wir daran, dass Gott nicht verborgen geblieben ist. Jesus, der Sohn Gottes, hat tatsächlich das Leben der Menschen erhellt. Er hat mit seinen Worten und mit seinem eigenen Schicksal gezeigt: Auch nach dem Tod, der größten Dunkelheit überhaupt, wird es ein Licht geben. Und dieses Licht kennt keine Dunkelheit.

Text: Hannes Schott
Foto: Evangelisches Gesangbuch