Kirche
Die wechselvolle Geschichte der Egidienkirche
Zerstörung und Erneuerung

In den schriftlichen Quellen taucht der Name „St. Egidien“ im Jahr 1140 zum ersten Mal auf. Der damaligen Stauferkönig Konrad III. schenkt dem Benediktinerorden in Regensburg das Grundstück am heutigen Egidienberg. Mit großer Wahrscheinlichkeit steht dort bereits eine „Aegidienkapelle“. „Es ist aber nicht bekannt, wann diese Kapelle errichtet wurde“, weist Hans-Jürgen Krauß bei seiner Führung hin.

Der 70-Jährige bietet mit anderen Senior*innen ehrenamtlich Spaziergänge unter dem Motto „Persönliche Stadtansichten“ an, unter anderem zu den Bauepochen der Egidienkirche und des Pellerhauses gleich nebenan. Voraussetzung war seine intensive Beschäftigung mit dem ehemaligen „Schottenkloster St. Egidien“, dem wohl ältesten christlichen Sakralort der Stadt. Dort steht heute die Euchariuskapelle, die mittlere der drei Kapellen von St. Egidien.

Zentrum des geistlichen Lebens

Schon zehn Jahre nach der Schenkung baut der Benediktinerorden eine Klosterkirche im Stil der Romanik. Dieser repräsentative Bau „war Zentrum des geistlichen  Lebens jener Zeit, weit vor St. Lorenz und St. Sebald“, erklärt Krauß. Über viele Jahre hinweg sei der Abt von St. Egidien sogar der „ranghöchste Geistliche in Nürnberg“ gewesen.

Hans-Jürgen Krauß ist Diakon im Ruhestand und hat bis 2015 das Kirchengemeindeamt am Egidienplatz geleitet, die Verwaltungszentrale aller evangelischen Kirchengemeinden des Nürnberger Dekanats. Nur ein paar Schritte sind es von seinem früheren Arbeitsplatz hinüber zur Egidienkirche. Vielleicht ist deshalb sein großes Interesse an deren Geschichte entstanden.

 Auf und ab

„Anfang des 15. Jahrhunderts war das Kloster wirtschaftlich am Ende“, erzählt er bei seiner Führung. „Die Bücher waren verscherbelt, das Altargerät verpfändet.“ Einen erneuten Anfang machten im Jahr 1418 Benediktiner aus der Oberpfalz mit dem Auftrag, „das Kloster St. Egidien wieder auf Vordermann zu bringen“. Doch es sollte nicht der letzte Neuanfang sein.

1525 ist ein Jahr des Umbruchs: Nürnberg und weitere freie Reichsstädte in Franken treten der Reformation bei. Krauß: „Der damalige Abt Friedrich Praetorius übergibt das Egidienkloster und dessen Besitz an die Stadt.“ Nach der Auflösung des Klosters ist dort 1526 das erste humanistische Gymnasium im Deutschen Reich gegründet worden: „Das war dem Besuch von Philipp Melanchthon geschuldet, dessen Denkmal unterhalb der Egidienkirche steht.“

Einen weiteren Einschnitt bringt das Jahr 1696. Bei einem verheerenden Brand am 6. und 7. Juli werden der romanische Kirchenbau und die früheren Klostergebäude zerstört. Nur die drei Kapellen bleiben weitgehend verschont. Krauß weist darauf hin, dass es zunächst unklar war, was aus den Trümmern werden sollte. Denn nach dem Dreißigjährigen Krieg sei die Stadt finanziell am Ende gewesen.

Nürnbergs einzige Barockkirche

Eine Spendensammlung unter den Patrizierfamilien hat dann doch den Wiederaufbau der Egidienkirche ermöglicht und zwar im damals modernen Barockstil. Hans-Jürgen Krauß hat in alten Chroniken geblättert: „Man hat sich renommierte Künstler geholt, die durchaus Geld gekostet haben.“ Am 4. September 1718 wird St. Egidien wieder eingeweiht als „repräsentativer Bau mit Stuckverzierungen und einem besonderen Hochaltar“ – und bis heute einziger Barockkirche der Stadt.

Allerdings erinnern nur noch ein paar Fotos aus den 1930er Jahren daran. Am 2. Januar 1945 – vor 75 Jahren – gehen große Teile der Kirche und der Nürnberger Altstadt im Bombenhagel unter. „Bei der Wiedererrichtung ist es dann nicht geschafft worden, die schöne Stuckdecke und das Deckengemälde wieder herzustellen“, bedauert der Diakon. „Nur die Stuckdecke im Ostchor hat man wieder errichtet.“ Am 8. März 1959 ist die Egidienkirche wieder ihrer Bestimmung übergeben worden.

In jüngster Zeit reagieren die Verantwortlichen an St. Egidien auf den starken Schwund an Gemeindemitgliedern. Das Profil soll als Kulturkirche geschärft werden. „Ein zaghafter Neuanfang“, sagt Krauß und wünscht sich, dass „die Egidienkirche mit mutigen Schritten wieder zu einem repräsentativen Ort kirchlichen Lebens wird.“

 

Info:

Die nächste Führung über „Zerstörung und Erneuerung“ bietet Hans-Jürgen Krauß am Dienstag, 24. November um 14 Uhr an. Treffpunkt ist am Eingang der Egidienkirche.

 

Text: Paul Schremser
Artikelfoto: Madame Privé