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Stephanie Betz – Leiterin, Lorenzer Laden (LoLa)
Aufhebung der Grenzen

Frau Betz, ein Traum im Sinne eines Ideals und einer Wunschvorstellung: Soll das für Sie im und mit dem LoLa wahr werden?

Ja – und das hat mehrere Facetten. Die eine lässt sich mit dem Stichwort „Kirche von unten“ umschreiben. Das war schon bei der Gründung eines der stärksten Motive, dass hier Menschen zusammenkommen und sich als ökumenische Basisgemeinde verstehen. Das gilt es vielleicht auch ein bisschen neu zu beleben. Was den LoLa prägt, ist ja die enge und möglichst kreative Verzahnung von Seelsorge und gelebter Spiritualität mit dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Das wird einerseits als Realität gelebt und bleibt zugleich ein hohes Ziel: Es geht um die Offenheit für alle Menschen mit allen Stärken und auch Schwächen und Verletzungen – hier hat jede und jeder etwas beizutragen. Es stimmt mich fröhlich, dass ich meine Energie hier einsetzen darf.

Kommt das Ihrem Traumberuf nahe?

Was mir auf jeden Fall vorschwebt, sind fröhliche Gesichter als Ausdruck davon, dass Menschen sie selbst sein dürfen und das auch zum Ausdruck bringen können. An einem solchen Ort möchte ich arbeiten und natürlich meinen Teil dazu beitragen. Ich wünsche mir, dass Menschen sozusagen mit der Seele wahrgenommen werden, nicht vor allem danach, was sie können und leisten und ganz unabhängig von ihrer Herkunft. Das macht für mich auch Kirche aus.

Vielfalt, Offenheit, Toleranz, ja Harmonie: Spielten da schon Kindheitsträume eine Rolle?

An Träume kann ich mich so nicht erinnern. Prägend war für mich aber das Aufwachsen mit einer Schwester, die mit einer Behinderung lebt. Ich habe oft erfahren, dass sich Menschen abwandten, vielleicht nicht unbedingt aus Abneigung, sondern auch aus Unsicherheit. Ich habe das nicht direkt als verletzend empfunden, aber stets als Anstoß, einfach selbst noch mehr mit ihr zu unternehmen. Wir haben viel Freude und Glück geteilt. Mein Traum ist, dass die Grenzen aufgehoben sind und Andersartigkeit als das Normalste der Welt akzeptiert wird.

Eine alte Sehnsucht …

… die mich nie losgelassen hat: Eigentlich wollte ich ursprünglich Musiktherapie studieren. Dann wurde ich auf Religionspädagogik gestoßen. Davon hatte ich zuvor keine Ahnung. Aber ins Lehrfach wollte ich eigentlich nie – obwohl ich aus verschiedenen Gründen dann doch viele Jahre Religionsunterricht gegeben habe. Aber ich hatte immer ein Problem damit, Kindern oder Jugendlichen sagen zu müssen: „Setz Dich endlich“, wenn ich spüre, dass er oder sie gerade etwas ganz Anderes brauchen. So habe ich nebenher noch psychologische Zusatzausbildungen absolviert.

Wovon träumen wohl die Menschen, für die der LoLa mehr ist als „nur“ eine Verkaufsstelle – auch wenn Ihnen ja noch nicht viel Kontakt zu ihnen vergönnt war. 

Ich ahne, dass die meisten sagen werden: „Dass Du Zeit für mich hast“ oder „kannst Du nicht öfter da sein?“. Präsenz und Gemeinschaft sind einfach unerlässlich. 

Und Ihr Traum für die Zeit nach Corona?

Ganz privat? Auf jeden Fall an die Sonne und ans Meer, gerne möglichst weit weg von Touristenströmen. Ich habe da durchaus ein paar Lieblingsorte in Griechenland oder auch Slowenien.

Interview: Wolfgang Heilig-Achneck
Artikelfoto: Madame Privé