Kunst
„Nürnberg – ein Kuhdorf?“
„Nürnberg – ein Kuhdorf?“

Für den Kirchentag 2023 in Nürnberg hat Jacco Kliesch den Trailer gefilmt, der die Fragen stellt:

Kirchentag? Das ist doch bestimmt voll langweilig. 

Und Nürnberg? Ist das nicht ein kleines Kuhdorf? 

Der Filmemacher Jacco Kliesch ist ein hochkreativer Kopf aus Nürnberg. Durch seine Imagefilme, seine freien Projekte und zahlreiche Werbeclips ist er weit über Nürnberg hinaus bekannt und hat zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten.

Herr Kliesch, Ihre Filme und Fotos sind weit über Nürnberg hinaus bekannt. Seit wann sind Sie „berühmt“?

Jacco Kliesch: Berühmt? Ich glaube, Sie verwechseln mich wohl mit jemandem (lacht). Nein, im Ernst: Ich bin  als Person eigentlich eher unbekannt. Aber ich habe in der Vergangenheit durchaus ein paar Filmprojekte im Internet veröffentlicht, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. 

Einer davon war der Imagefilm „We Nürnberg“, den ich im Auftrag der Stadt Nürnberg produziert habe. Die Idee war, dass wir einfach auf die Straße gehen und junge Menschen dazu befragen, was Nürnberg für sie bedeutet und was sie an der Stadt lieben. Der Film hat auf den verschiedenen Plattformen insgesamt rund 600.000 Aufrufe erzielt – was für eine Stadt mit 500.000 Einwohnern ganz beachtlich ist.

Wie sind Sie überhaupt zu Ihrem Beruf gekommen?

Ich habe bereits als Jugendlicher mit Musikproduktion und DJing begonnen und bin darüber dann in den Videobereich gekommen. Später habe ich Medientechnik mit Schwerpunkt Mediendesign studiert. Vom Geld der ersten Ferienjobs habe ich mir irgendwann meine erste Kamera gekauft und mir dann mit ‚Learning by Doing‘ einfach das meiste selber beigebracht. Lange Zeit war ich angestellt bei einer Werbeagentur und mittlerweile arbeite ich als freiberuflicher Filmemacher.

Was Sie darstellen und wie Sie Menschen, Landschaften oder Stimmungen zeigen, ist immer überraschend anders. Woher nehmen Sie Ihre Ideen und Inspirationen?

Dankeschön! Gutes Licht und die richtige Perspektive sind die halbe Miete – besonders bei Landschaftsaufnahmen. 

Und weil morgens das Licht oft besonders schön ist, bin ich auch des Öfteren mal früh unterwegs, um die blaue und die goldene Stunde einzufangen. Die blaue Stunde ist die Stunde vor dem Sonnenaufgang und die goldene Stunde ist die Stunde danach, wenn alles von der Sonne angestrahlt wird.

Bei Porträtaufnahmen von Menschen ist es noch viel anspruchsvoller. Da braucht man ganz viel Feingefühl. Denn oft entscheidet ein Sekundenbruchteil darüber, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht. Das kurze, schüchterne Lächeln, der Augenaufschlag oder ein Blinzeln. Ich glaube, ich bin gut da-rin, das zu erkennen, und einfach die richtigen Momente festzuhalten.

Gehen Ihnen manchmal die Ideen aus? Und falls ja, was machen Sie dann?

Die Ideen gehen mir tatsächlich nie aus. Ich habe eher das Problem, dass ich zu viele Ideen habe und mich dann entscheiden muss, welche davon ich mit meiner Zeit umsetzen kann. Die meisten kreativen Einfälle kommen mir, wenn ich in die Natur gehe oder Sport treibe. Oder ich fahre in den Urlaub, um meinen Kopf freizubekommen und wieder neue Inspirationen zu erhalten.

Sie haben das Kirchentagsvideo produziert. Was wünschen Sie sich von Kirche in Nürnberg – und was vom Kirchentag?

Als ich die Anfrage vom Kirchentag bekommen hatte, war ich zunächst skeptisch. Denn mit der Kirche habe ich ehrlich gesagt normalerweise nicht so viel zu tun, hatte eher gewisse Ressentiments. Mit dem Trailer sollten zwei Zielgruppen angesprochen werden: auf der einen Seite die regelmäßigen Kirchentagsgänger*innen, die allerdings keine Vorstellung von Nürnberg haben. Und auf der anderen Seite die Nürnberger*innen, die nicht wissen, was beim Kirchentag auf sie zukommt. So kam dann auch die Idee für den Anfang des Textes: „Kirchentag? Das ist doch bestimmt voll langweilig. Und Nürnberg? Ist das nicht ein kleines Kuhdorf?“ 

Die letzten beiden Kirchentage sind mir durchaus positiv im Gedächtnis: Zum Beispiel durch den Auftritt von Barack Obama und Angela Merkel beim Kirchentag in Berlin. Oder das Zitat der Pastorin Sandra Bils „Man lässt keine Menschen ertrinken – Punkt” und das damals initiierte Rettungsschiff Sea-Watch 4. Das finde ich echt stark, und so was wünsche ich mir von der Kirche in Nürnberg und vom Kirchentag 2023: Dass man sich für Gleichberechtigung und Menschenleben einsetzt und sich auf die christlichen Grundwerte besinnt.

Interview: Annette Lichtenfeld
Artikelfotos: Jacco Kliesch

Jacco Kliesch