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Die Ausstellung „Stein & Tür“ im Sebalder Pfarrhof wird eröffnet
Das Geheimnis öffnet seine Tür

Warum wurde der kleine Raum neben dem Café Maulbeere in der Eingangshalle des Sebalder Pfarrhofes im Mittelalter „Das Geheimnis“ genannt? Wir wissen es nicht. 

Als es noch kein fließendes Wasser gab, war er die Schenke, in der die Getränke für den Pfarrhofbetrieb aufbewahrt wurden. Neben der großzügigen Küchenanlage und der dreistöckigen Latrine des Pfarrhofes war er somit ein wichtiger Raum für den Wirtschaftsbetrieb des Pfarrhofes. Damals wurde aus dem „Geheimnis“ auch ein geheimer Zugang zu den Räumen im 2. Stock des Pfarrhofes geschaffen. Der kleine Durchgang zur Wendeltreppe ist noch zu sehen, ebenso im heutigen Behinderten-WC die Nische, in die die Wendeltreppe eingelegt war.

Zunächst lag die Vermutung nahe, dass die alte Holzbrettertür Anlass für die Bezeichnung des Raumes war. Verschiedene mittelalterliche Schlösser verriegeln sie bis heute, aber nur durch einen geheimen Kippschalter kann die Tür letztlich geöffnet werden. Im Juli 2020 stießen Restauratoren auf eine Inschrift auf der Tür, die vermutlich während der letzten großen Sanierung unter Propst Melchior Pfinzing im Jahr 1514 für den Raum hergestellt wurde. Bei der Inschrift handelt es sich um einen Haussegen, der in schwarzer Farbe in Hebräisch auf das Holz geschrieben ist:

Durch dieses Tor                                         ‬בזה‭ ‬השער‭ ‬

soll kein Kummer kommen ‭ ‬לא‭ ‬יבא‭ ‬צער‭        

Rätselhaft aber bleibt, wer den jüdischen Haussegen auf die Tür im christlichen Pfarrhof geschrieben hat und warum. Denn seit dem großen Pogrom von 1499 durften bis ins 19. Jahrhundert hinein keine Juden mehr in der Stadt Nürnberg leben.

Sehr wahrscheinlich steht der Segensspruch im Zusammenhang mit dem jüdischen Grabstein der Frau Gutlin. Dieser war bereits bei den Arbeiten im Mai 2019 wieder zum Vorschein gekommen. 

Erst im Nationalsozialismus wurde er verputzt und danach schnell vergessen.

Aufgrund der Entdeckung von „Stein & Tür“ wurde das Raum- und Nutzungskonzept des Pfarrhofes geändert. Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg (IKGN) hat zugestimmt, Grabstein und Holztür nicht zu restituieren, sondern als gemeinsam genutzte Vermittlungschance mitten in der Altstadt vor Ort zu belassen. So wurde gemeinsam eine Ausstellung entwickelt. Ab 20. Mai wird sie als „Stein & Tür – Jüdische Spuren im Sebalder Pfarrhof“ täglich geöffnet und frei zugänglich sein.

Die Ausstellung informiert in deutscher und englischer Sprache über den Grabstein und den Segensspruch. In Schlaglichtern wird die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde Nürnbergs bis heute erzählt. Hörstationen und „Sebi, die Schnecke“ leiten insbesondere Kinder durch die Ausstellung und bieten einen unmittelbaren Einblick in diesen Teil der Nürnberger Geschichte. 

Was aber hat das alles mit St. Sebald zu tun?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich in und an der Sebalduskirche zahlreiche judendiffamierende Darstellungen befinden. Auch die Ausstellung „Stein & Tür“ will sich diesem schweren Erbe öffentlich stellen. Antisemitismus ist ein dunkler Teil der Kirchengeschichte. Judenfeindliche Spuren lassen sich bis in das Neue Testament zurückverfolgen und wurden später – auch in St. Sebald – auf Bilder gebannt und in Stein gemeißelt. Diese Bilder zeigen, dass religiöse Ausgrenzung immer zu Verachtung und Gewalt führt. Umso wichtiger ist es, jeder Form von Antisemitismus die Menschlichkeit, Solidarität und Zivilcourage entgegenzustellen. 

Weitere Infos zur Ausstellung auf Seite 21

Text: Martin Brons
Foto: Archiv St. Sebald