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Das Klima und die Orgeln
Das Klima und die Orgeln

Buchstäblich zum Heulen: Wie Hitze und Trockenheit den Orgeln in St. Lorenz zusetzten – und vielen anderen ebenso

Die Meldung hat im vergangenen August nicht nur Konzertfreunde aufgeschreckt: Die Sommerhitze setzte auch vielen Orgeln so zu, dass große Teile ausfielen. Die Lorenzer Hauptorgel und die kleinere Stephanusorgel  waren da nur die prominentesten Beispiele – betroffen waren auch Hunderte von Instrumenten im ganzen Land. Aber wie genau konnte es dazu kommen?

„Die Ursache war nicht allein die Hitze, sondern vor allem die mit ihr verbundene außerordentliche Trockenheit“, erläutert der Lorenzer Kirchenmusiker Thomas Schumann, der als Orgelsachverständiger auch in der gesamten Landeskirche unterwegs ist. Besonders auffällig: Innenstadtkirchen waren mit ihren Orgeln stärker betroffen als zum Beispiel in Maxfeld, weil sich im Mikroklima der City die Hitze stärker staut als etwa am Stadtpark mit seinen Bäumen oder am Johannisfriedhof. Dazu kam der rege Besucherzustrom – und mit ihm gelangte nahezu pausenlos auch trockenheiße Luft aus der Fußgängerzone ins Kircheninnere.

Bei einer Luftfeuchtigkeit von deutlich unter 30 Prozent – normal und angemessen sind Werte zwischen 40 und 60 Prozent – leiden vor allem Orgelbestandteile aus Holz. „Weniger die Pfeifen als vor allem die sogenannten Windladen, also Kammern, durch die die Luft in die Pfeifen gelangt. Trocknen sie zu stark aus, kommt es zu Spannungen und Rissen. 

Die Folge: Luft kann durch die feinen Ritzen entweichen: der für das Spiel nötige Luftdruck fällt. Wenn sich dann auch Ventile nicht mehr richtig schließen, führt das zu unangenehmen Dauertönen, sogenannten Heulern. „Das war das Hauptproblem, auch Bauteile aus Leder haben gelitten, einige Ventile sind ganz gerissen“, erläutert Schumann weiter. Die jüngere Laurentiusorgel blieb halbwegs verschont und stand damit für Gottesdienste weiter zur Verfügung – aber Konzerte waren vorübergehend nicht möglich.

Und so war Orgelbauer Benedikt Friedrich besonders gefordert. „Er war stets umgehend und oft stundenlang zur Stelle, um Heuler abzustellen und Schäden auszubessern“, stellt Schumann dankbar fest. Dabei war bereits im vergangenen Jahr eine Stoffbespannung an der Stephanusorgel als dem ältesten Instrument angebracht worden, um die durch ein Südfenster eindringende Wärmeeinstrahlung abzumildern. Gegen übermäßige Trockenheit auch in der Kirche ist das freilich wirkungslos. Dabei zeigten sich an diesem Instrument mit seinen vielen Holzpfeifen auch die Auswirkungen auf diese Klangkörper: Wenn sich das Holz auch nur minimal zusammenzieht, vergrößert sich der Spalt für die Tonerzeugung – und schon klingt es schräg.   

Um solchen Problemen vorzubeugen, gilt deshalb bei der geplanten Neugestaltung der Eingänge ein Windfang als unerlässlich. Kurzfristig sorgten Luftbefeuchter in der Haupt- und der Stephanusorgel für Linderung. Mit schweißtreibenden Folgen: „Um sie mit Wasser zu füllen, mussten wir täglich jeweils vierzig Liter nach oben schleppen“, berichtet Schumann. Im kommenden Jahr soll eine feste Befeuchtungsanlage installiert werden – für die allerdings auch eine Wasserleitung verlegt werden muss. Außerdem sollen Klimadaten in den Instrumenten genau erfasst werden. Schließlich sollen und müssen die Lorenzer Orgeln reihum gründlich gereinigt und überholt werden. Als erste am Zug ist im Herbst 2023 die Stephanusorgel. 

Text: Wolfgang Heilig-Achneck, Foto: Oliver Heinl