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Die Spaltung als Ziel
Zeichen gegen rechts: Zigtausende haben am 20. Januar gegen die Politik der AfD und anderer rechtsextremer Gruppierungen demonstriert.

Wie Rechtsaußenparteien den Klimawandel für sich nutzen

Sie treten im bürgerlichen Gewand auf, schwenken die Deutschlandfahne und die weiße Taube auf blauem Grund, die Flagge der Friedensbewegung. Was nicht mehr auftaucht, sind Springerstiefel oder geschorene Männerköpfe, die früheren Kennzeichen der Neonazis.

Umso mehr wird vor den neuen Tönen des politischen Rechtsaußen gewarnt wie etwa der „Alternative für Deutschland“ (AfD). „Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Kriege und der Klimawandel fördern den Zulauf für Parteien wie die AfD.“ Das sagt Professor Mathias Quent, der sich mit dem Thema wissenschaftlich beschäftigt. Er lehrt an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Bei einer Veranstaltung in der Reformations-Gedächtnis-Kirche in Nürnberg-Maxfeld erinnert er an den Attentäter von Christchurch. Im März 2019 hat dieser zwei Moscheen überfallen und dabei 150 Muslime getötet. Der Täter habe später erklärt: „Wir müssen die Muslime ausrotten, um das Klima zu retten.“ Quent spricht auch über Donald Trump, den ehemaligen US-Präsidenten. In einer seiner ersten Amtshandlungen habe er entschieden, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2016 austritt.

Quent nennt das „Klimarassismus“. Gemeinsam mit zwei weiteren Autoren hat er das gleichnamige Buch veröffentlicht (Klimarassismus – der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende, Piper, 20 €). Für dieses Buch und seine Vorträge sehe er sich im Internet vielen Hass-E-Mails und Verunglimpfungen ausgesetzt.

Die AfD schüre die Ängste

Der 37-Jährige gibt zu, dass die industrielle Transformation viele Menschen verunsichere, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben. „Solange die Reichen um die Welt jetten, haben die Leute wenig Vertrauen in die Klimapolitik“, warnt der Wissenschaftler. Das treibe sie zu den rechten Parteien wie der AfD. „Deren Ziel ist aber die Spaltung der liberalen und demokratischen Gesellschaft.“ Deshalb hoffe die AfD, dass die Energiepreise weiter ansteigen: „Dann sieht sich die Partei als Erlöser.“

Stefan Doll ist der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Nürnberg. Er berichtet von AfD-Flugblättern, wonach die Bundesregierung angeblich alle Autos mit Verbrennermotor abschaffen wolle. Das werde bei Schichtschluss vor den Werkstoren verteilt, um die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zu schüren. In der Region Nürnberg – so berichtet Doll – seien 110.000 Menschen bei Zulieferbetrieben der Automobilindustrie beschäftigt.

Wer aber das Parteiprogramm liest, sagt Doll, könne erkennen: „Die AfD verschlechtert die Lebensbedingungen der Menschen, die sie wählen.“ Diese These untermauert auch Quent. Die AfD leugne den Klimawandel. „Damit verteidigt sie aggressiv die Besitzstände, von denen einige AfD-Anhänger am meisten profitieren.“

Über die Rolle der Kirche in dieser Situation spricht Dorcas Parsalaw von „Mission Eine Welt“ mit Sitz in Neuendettelsau. Bei derselben Veranstaltung erinnert sie an die christliche Botschaft, dass Gott die Welt erschaffen habe. „Schöpfung ist mehr als die Natur,“ sagt sie. „Alles Leben kommt vom Schöpfer.“ Gegen die Verunsicherung der Gesellschaft brauche es Vertrauen: „Das kann ein Impuls der Kirche sein.

Text: Paul Schremser
Fotos: istockphoto.com, hanohiki, Paul Schremser und Piper Verlag

buchtipp
„Klimarassismus“
Professor Matthias Quent
288 Seiten,
Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06399-9