Editorial
Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist kalt geworden in der Welt. Raue Winde wehen auch in Deutschland. Es ist doch bald Frühling, mögen Sie nun vielleicht denken. Doch die rauen Winde, die ich meine, die wehen im Internet zu jeder Jahreszeit. Und es ist noch nicht lange her, da war mir das englische Wort „Shitstorm“ völlig unbekannt. Wir alle erleben diese Stürme des oft ungebremsten Hasses heutzutage – leider oft sogar hautnah. Diese Kälte, ausgelöst durch die Anonymität des Internets, hat Auswirkungen auf das Klima in der Gesellschaft – auf Einzelne, auf die Politik, auf die Kirche.

Wir als Kirche können und wollen hier keine Insel der Seligen sein. Mit allen, wirklich allen zusammen, werden wir überlegen und ausprobieren, wie das Klima wieder angenehmer werden kann, wie der Segen des „weltweiten Netzes“ seinen Fluch bei Weitem überwiegen kann und wie die bitteren Auswüchse des Hasses und des Schwarz-Weiß-Denkens eingedämmt werden können. Mit der Gesellschaft zusammen ist Kirche auf der Suche nach den richtigen Werkzeugen. Nach gutem Klima. Nach dem guten Ton.

Ton ist ja ein ganz biblisches Material, das uns im Alltag immer noch fast täglich begegnet. Und Töne – vorzugsweise gute Töne – begleiten uns durch unseren Tag, auch wenn wir gerade kein Konzert besuchen. In der Mitte dieser Ausgabe finden Sie diese beiden Aspekte des „guten Tons“ gewürdigt.

Am Anfang der Lektüre soll es aber um das gehen, was uns den Anstoß gegeben hat für den Titel dieser Ausgabe: der gute Ton im Umgang miteinander. Dass etwas zum guten Ton gehöre, das sagt man bisweilen. Und das stimmt dann zwar oft, darf aber auch immer hinterfragt werden. So wie das Klima der Gesellschaft sich ändert, ändert sich auch, was zum guten Ton gehört. Jesus war da sehr unkonventionell und hat manchmal provokativ hinterfragt, was man damals für den guten Ton hielt.

Hass, gar in seiner ungebremsten Form, wird nie zum guten Ton gehören. Demokratischer Dialog verträgt ihn nicht. Hass zu schüren und die Gesellschaft zum eigenen Vorteil zu spalten – damit beschäftigt sich ein weiterer Beitrag – wird durch Verunsicherung und (leider oft manipulierte) Ängste der Menschen leicht gemacht. Dem können wir selbstbewusst mit Vertrauen begegnen.

Dass wir die Präsidentin des Deutschen Knigge Bundes e.V. fragen konnten, was denn aus der Sicht des Freiherrn Knigge zum guten Ton gehöre, ist eine feine Sache und balanciert einen wiederum anderen Beitrag aus, der die Erwartungen und Klischees über den guten Ton in der Kirche eher heiter an uns zurückspiegelt.

Wir vom Redaktionsteam hoffen, dass Sie wiederum Freude beim Durchblättern unserer Citykirche haben. Und noch mehr: Dass wir nicht nur auf den folgenden Seiten den guten Ton treffen, sondern auch in den vielen Veranstaltungen und Begegnungen in unseren Innenstadtgemeinden, denen dieses Magazin entspringt. Als Leitfaden und Kurzknigge kann womöglich unsere Jahreslosung dienen: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ (1. Korinther 16,14).

In diesem Sinne Ihnen allen eine gute Zeit.

Ihr Jan Martin Depner
Pfarrer St. Lorenz