Themenartikel
EURE ALTEN SOLLEN TRÄUME HABEN ...
Eure Alten sollen Träume haben …

Träumen Sie?

Träume sind Schäume – so sagt der Volksmund. Sie zerplatzen wie Seifenblasen und haben nichts mit der Realität zu tun. Stimmt das?

Die Psychoanalyse sieht das ganz anders: In Träumen offenbart sich das Unbewusste, die Ängste, Emotionen und Hoffnungen des Menschen; auch alte Kränkungen und Wunden der Seele tauchen darin auf.

In der Bibel spielen Träume eine große Rolle. Sie können prophetisch sein oder sie gewähren einen Blick in die Zukunft. Josef im Alten Testament träumt von seinen Brüdern, die sich vor ihm verneigen, und die Weisen aus dem Morgenland erhalten im Traum einen wichtigen Hinweis für ihre Reiseroute. Träume sind keine Schäume.

Eure Alten sollen Träume haben – so schreibt der Prophet Joel.

Wovon träumen älter gewordene Menschen, die den größten Teil ihres Lebens bereits hinter sich haben?

Eine 72-jährige Frau erzählte mir, sie traue sich nicht, das in der Öffentlichkeit zu sagen, aber sie träume noch von einer neuen Partnerschaft. So lange schon sei sie Witwe. Ihr Traum sei, noch einmal das Glück der Zweisamkeit erleben zu dürfen.

Ein älteres Ehepaar berichtet mir: 

Wir haben so viel Gutes erlebt und geschenkt bekommen in unserem Leben, berichtet mir ein älteres Ehepaar. Wir möchten davon weitergeben, jetzt im Ruhestand, wo wir Zeit haben. Unsere erwachsenen Kinder leben weit weg, Enkel haben wir leider keine. Wir träumen davon, Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen Geborgenheit vermitteln zu können. 

Damit dieser Traum auch Wirklichkeit wird, haben sie schon mit der Kita um die Ecke und dem örtlichen Kinderheim Kontakt aufgenommen. Demnächst steht ein erster Termin als Vorlese-Oma an. Und wenn die Corona-Regeln es zulassen, werden beide bei der Hausaufgabenbetreuung mithelfen. Darauf freuen sie sich sehr. 

Eure Alten sollen Träume haben – wie schön, wenn diese Träume auch gelebt werden können. 

Für den Propheten Joel ist es ein Zeichen der kommenden Heilszeit, dass nicht nur die
Jungen Visionen haben, sondern dass auch die Alten Träume träumen. Eine gesunde Gesellschaft muss das jungen und auch älteren Menschen ermöglichen: träumen, fantasiebegabt ihr Leben spinnen und etwas davon auch verwirklichen können.

Der Geist, den Gott in die Herzen der Menschen legt, inspiriert Jung und Alt. Durch alle Zeiten haben Menschen gerade in ihren Träumen den Motor für ihr Handeln gefunden.

Am Pfingstfest zitiert Petrus die Worte des Propheten Joel: Junge und alte Menschen, die träumen, sind die Visionäre der durch den Geist Gottes gegründeten Kirche. Junge und Alte erträumen eine Kirche, die auf Glaube, Hoffnung und Liebe gegründet ist. Die Grenzen überwindet und Menschen zusammenführt. Jede Zeit bringt neue Aktualität in diesen Traum: Eine Welt ohne Rassismus, eine Welt ohne ertrinkende Geflüchtete, eine Kirche ohne Missbrauch, eine Politik ohne Egoismus.

Joel zufolge ist das die Bedingung dafür, dass

wir unsere Träume leben können: Der Geist Gottes muss mit seiner ganzen Lebenskraft in uns Wohnung nehmen. Dieser Geist reißt uns vom Hocker, er bringt uns in Bewegung und holt uns heraus aus der Gleichförmigkeit des Lebens.

Haben Sie noch Träume? Visionen einer besseren Welt? Träume gelingenden Lebens, konkrete Träume vom kleinen und großen Glück?

Eure Söhne und Töchter sollen weissagen …, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.

Ich bin mir sicher: Gerade in diesen Zeiten haben Kinder und Jugendliche wegweisende Träume. Wir sollten genau hinhören und sie sehr ernst nehmen. Denn die Kinder wissen ganz genau, worauf es jetzt ankommt. Anikó, 11 Jahre, bringt es auf den Punkt:

Mein Traum ist, dass ich meine Freunde wiedersehen darf. Ich möchte mich mal wieder mit mehreren von ihnen treffen, nicht nur mit einer Person. Außerdem träume ich davon, meine Hobbys wieder machen zu können. Das sind Tanzen und Querflötespielen im Jugendorchester. Jetzt geht das nur online über Video. Und ich möchte sehr gerne wieder in die Schule gehen. Zuhause ist es schwieriger zu lernen, weil die Lehrer in der Schule den Stoff besser erklären können.

Text: Annette Lichtenfeld
Artikelfoto: Paul Schremser, iStockphoto