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Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben.

Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide,
als Salomonis Seide.

Text: Paul Gerhardt, 1653 Evangelisches Gesangbuch 503, Strophen 1 und 2

Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit …

Ich habe dieses Lied nie bewusst auswendig gelernt und kenne doch fast alle Strophen. Es singt und klingt in mir, wenn ich im Sommer draußen unterwegs bin. Und wenn es nach mir ginge, könnten wir es in jedem Gottesdienst singen. Mir würde es nicht langweilig werden.

Es sind die starken und zugleich zarten Bilder, die uns Paul Gerhardt hier vor Augen malt: Tulpen und Narzissen im Festkleid, die hochbegabte Nachtigall mit ihrem Gesang, die unverdrossen umherfliegende Bienenschar. Bäche rauschen, der Weizen wiegt sich im Wind, Schafe blöken. Der Sommer ist ein Fest, und was für eins. Da ist Leben!

Doch ganz am Anfang steht kein Bild, sondern eine Aufforderung: Geh aus! Da treibt sich einer an, er schubst sich fast nach draußen. Paul Gerhardt hat diese Strophen geschrieben, als den Menschen nicht nach Jubel, Trubel, Sommerheiterkeit zumute war. Der Dreißigjährige Krieg hatte ganz Europa in Angst und Schrecken versetzt. Auch der Dichter hat liebe Menschen betrauert. Nicht nur er hat sich darum wohl lieber in seiner Kammer verkrochen.

„Los, raus mit euch“, sagen Eltern und schicken die Kinder zum Spielen in den Garten. Fast immer kommen diese fröhlich und müde zurück. Auch uns Erwachsenen tut es einfach gut, draußen zu sein. In der Natur fällt der Blick aufs Große und Ganze. Der Blick auf einen Baum, auf einen Bach, auf die Wolken am Himmel hilft und stärkt. Die Schöpfung verzaubert. Sie stärkt das Vertrauen ins Leben. Sorgen verlieren ihre Übermacht.

Text: Annette Lichtenfeld
Foto: Adobe Stock

Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen,
aus meinem Herzen rinnen.

Evangelisches Gesangbuch 503, Strophe 8