Reisen
Pilgern
Immer der Jakobsmuschel nach

Es war im Jahr 2007, als sich Paul Diemer einer Pilgergruppe der Nürnberger Innenstadtgemeinden anschließt. Leiterin der Gruppe ist damals Gabriela Grosse, vielen noch heute als ehrenamtliche Mitarbeiterin in St. Sebald bekannt. Diemer ist immer noch voll des Lobes: „Sie war eine herrliche Pilgerführerin, die alles für uns geplant, die Wege vorher abgefahren und die Unterkünfte gebucht hat.“ Mit einem Augenzwinkern spricht er von „Edelpilgern“, wenn er an die Gruppe zurückdenkt, die jeden Sommer zwei Wochen in Etappen gepilgert ist.

Jakobswege illegal markiert

Seit acht Jahren organisiert Diemer die monatlichen Pilgertreffen, die auch in den Terminen der Citykirche veröffentlicht werden. Sie beginnen stets mit einer Andacht in der Krypta der katholischen St. Elisabethkirche. Ursprünglich war es wohl ein kleiner Kreis um Alois Huber aus Gostenhof. Huber ist 2012 gestorben.

Dem katholischen Pfarrer war es damals ein Dorn im Auge, dass die Markierungen der Jakobswege an den Nürnberger Stadtgrenzen endeten und erst jenseits davon wieder begannen. „Mit Gleichgesinnten, einer Leiter und Jakobsweg-Schildern ausgestattet, zog er durch die Stadt und markierte unverhohlen und entgegen aller Vorschriften die Jakobswege“, erzählt Paul Diemer. „Heute sind die Wege mit den blauen Schildern und der Jakobsmuschel ein längst vertrautes Zeichen im Stadtbild.“ Aus der kleinen Schar von damals sind jetzt mehr als 25 regelmäßige Teilnehmer*innen geworden, die sich nach der Andacht in einer Gaststätte zu ihrem „Pilgerhock“ treffen.

Freilich ist der Gedanke an einen fränkischen Jakobsweg von Nürnberg über Heilsbronn nach Rothenburg ob der Tauber noch viel älter. Er geht auf das Jahr 1992 und Pfarrer Paul Geißendörfer aus Heilsbronn zurück. Bereits sieben Jahre später berichtet Geißendörfer von sechs Jakobswegen in ganz Süddeutschland. In den folgenden Jahren ist dann ein Netz von Pilgerwegen über ganz Deutschland entstanden.

Seither scheint die Lust am Pilgern auch unter Protestanten ungebrochen. Dabei hatte doch Martin Luther das Pilgern einst als „Narrenwerk“ verworfen und es mit dem Ablasshandel verglichen. Schon damals – vor 500 Jahren –
war der Weg ins spanische Santiago de Campostella sehr beliebt. Deshalb mahnte Luther: „Lauft nicht dahin“, denn niemand wisse, ob dort der heilige Jakob begraben liegt, „oder ein toter Hund“.

Auf der Suche

Trotzdem hat St. Jakob heute ein Pilgerzentrum, das sich seit April 2015 im Eingangsbereich der Kirche befindet. Die Leitung hat Pfarrer Oliver Gussmann, der zugleich als Referent für Pilgern beim Gottesdienstinstitut der Landeskirche in Nürnberg arbeitet. „Dieses Pilgerzentrum ist einzigartig in Bayern“, weiß Diemer, „denn es ist nicht kommerziell, also kein Reisebüro.“ Dort können Ratsuchende Hilfe bei der Auswahl der Pilgerwege, ihrer Ziele und Herbergen finden. „Es gibt Pilgerausweise, Muscheln als Anhänger und sogar Pilgerbier“, verrät er.

Allerdings sind das nur Äußerlichkeiten. „Menschen in vielen Lebensabschnitten suchen nach dem Sinn ihres Daseins,“ weiß der 74-Jährige. „Sie suchen auf dem Jakobsweg in einer kurzen oder längeren Auszeit neue Erfahrungen.“ Menschen, die religiös tief verwurzelt seien, streben die klassischen Wallfahrtsorte zum Gebet, Gesang und zur Meditation an. Vielen anderen aber „fehlt die Beziehung zu traditionellen Gottesdiensten und der Kontakt zur Kirche“, hat er festgestellt. „Viele versuchen auf dem Jakobsweg etwas zu finden.“ Und das habe mit einer Religionszugehörigkeit nichts zu tun.

Auf die Frage, worin der persönliche Gewinn des Pilgerns für das eigene Leben liege, antwortet Paul Diemer mit einem spanischen Sprichwort: „Nach Jerusalem wandert man, um Jesus zu finden. Nach Rom geht man zum Papst. Doch auf dem Pfad nach Santiago de Campostella sucht man sich selbst.“


Info

Die Pilger treffen sich am ersten Mittwoch im Monat um 17.30 Uhr und beginnen mit einer Andacht in der Krypta St. Elisabeth am Jakobsplatz.

Kontakt über jakobspilger-nuernberg@paul-diemer.de

Text: Paul Schremser
Artikelfoto: Privat und Paul Schremser