Themenartikel
St. Sebald aus evangelischer Sicht
Sebald – Luther – Bonhoeffer

„Was ist denn das da hinter dem Altar?“, wurde ich schon so manches Mal in der Sebalduskirche gefragt.

Und wenn ich dann zur Antwort gab: „Das ist das Grab des heiligen Sebaldus“, kam so manche Verwunderung zurück: „Ein Heiliger in einer evangelischen Kirche?!“ 

Ich staune schon manchmal, wie sehr das Grundbekenntnis unserer evangelischen Kirche in Vergessenheit geraten konnte. Über die Heiligen sagt die Augsburger Konfession klipp und klar in Artikel 21, „dass man der Heiligen gedenken soll, damit wir unsern Glauben stärken, so wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und wie ihnen durch Glauben geholfen ist; dazu dass man ein Beispiel nehme von ihren guten Werken … Durch die Schrift aber mag man nicht beweisen, dass man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll.“ 

Das heißt nicht weniger, als dass es unserem Glauben guttut, wenn wir der Heiligen gedenken und uns bewusst machen, wie Gott ihnen geholfen hat. Auch sollen wir uns ihre guten Taten zum Vorbild nehmen. Mit St. Nikolaus und St. Martin funktioniert das ja ganz gut in evangelischen Kindergärten. Aber wir Christen haben noch viel mehr Glaubensgestalten, die spannende Erfahrungen mit Gott gemacht haben, und die unserem Glauben interessante Aspekte liefern. So schauen wir Evangelischen etwa Dietrich Bonhoeffer, den christlichen Widerstandskämpfer gegen Hitler, als einen modernen Heiligen an – und Martin Luther wird ja bei uns manchmal wie ein „Oberheiliger“ zitiert.

Wie schön und hilfreich, dass wir sogar das Grab eines Heiligen in der Mitte unserer evangelischen Sebalduskirche in Nürnberg haben. Es erinnert uns an diesen in der evangelischen Kirche oft vergessenen Aspekt der Heiligen und deren konsequenten Lebenswandel in der Nachfolge Jesu Christi. 

Das Grab stellt uns die Gemeinschaft der Heiligen vor Augen, die wir im Glaubensbekenntnis in jedem Sonntagsgottesdienst bezeugen, und macht uns bewusst, dass die Gemeinschaft der Glaubenden viel mehr ist, als das, was wir hier und heute vor Augen haben, nämlich: Ich gehöre zu einer Gemeinschaft, die in Jesus Christus angefangen hat und über Petrus und Paulus, Franz von Assisi und Martin von Tours, über Sebaldus, Martin Luther und Dietrich Bonhoeffer bis hin zu mir reicht – und weit über mich hinausgehen wird.

Es freut mich immer wieder zu erleben, wie sich Katholiken und Orthodoxe von dem heiligen Sebald anziehen lassen und gern in die Sebalduskirche kommen, weil sie dort einen Heiligen finden. Der heilige Sebald macht somit die Sebalduskirche zu der ökumenischen Kirche in der Stadt schlechthin. Ökumenische Gemeinschaft bleibt da nicht nur eine schöne Idee, sondern wird mit dem Heiligen in der Mitte konkret, greifbar und für das Miteinander wegweisend.

Der heilige Sebald – was für eine Kostbarkeit und was für ein Auftrag.

Text: Jürgen Körnlein
Foto: Archiv St. Sebald

INFO

Freitag, 19. August, 17 Uhr
Ökumenische Sebaldusvesper
Predigt: Stellv. Stadtdekan
Rainer Gast (kath.) und Stadtdekan
Dr. Jürgen Körnlein (evang.)
Musik: Colin Smith – Orgel